Gottesdienst (ohne Konfirmation) am Sonntag Kantate (10.5.2020)

Im Namen des dreieinigen Gottes: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen

Der dreieinige Gott (Kirche Dobel)

Ja, an diesem Sonntag können die Gottesdienste wieder in den Kirchen stattfinden. Ist das nicht etwas? Aber an diesem Sonntag Kantate (das heißt: "Singt") hätten in Dobel acht Jugendliche konfirmiert werden sollen. Den Gottesdienst am Vorabend hatten sie - hattet Ihr schon vorbereitet. Einige Lieder wolltet Ihr selbst mit Instrumenten begleiten, darunter "Laudato si – Sei gepriesen". Das alles müssen wir verschieben.

 

Gottesdienste in den Kirchen sind nur unter strengen Auflagen möglich. Alle sollen eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen. Weil wir in zwei Meter Abstand von einander sitzen müssen, können viel weniger Leute als sonst am Gottesdienst teilnehmen. Und - für mich am schlimmsten: Wir dürfen nicht miteinander singen. Nicht singen - und das am Sonntag Kantate (das heißt: "Singt").

 

Gemeindeglieder, die einer Risikogruppe angehören, werden sich ohnehin überlegen, ob sie kommen sollten. Andere werden zu Hause bleiben, weil die vorgeschriebenen Auflagen für sie nicht mit dem Gottesdienst, wie sie ihn feiern wollen, vereinbar sind. Für alle, die nicht kommen möchten oder sollten, gibt es wieder diese Andacht im Internet veröffentlicht und in Papierform ausgetragen bzw. in den Kirchen ausgelegt.

 

 

Was es heißt, am Sonntag Kantate (das heißt: "Singt") nicht singen zu dürfen, Gott nicht mit dem Lied "Laudato si" loben zu dürfen – das beschäftigt mich. Mehr dazu unten ...

"Du meine Seele, singe" (Evangelisches Gesangbuch 302,1)

Wir beten:

Gott, du Schöpfer des Himmels und der Erde, dich preisen alle deine Werke.

Dir, Gott des Heils und der Gerechtigkeit, wollen wir singen und danken für das Leben, das du uns schenkst.

Mit Freude und mit Kraft wollen wir das Lied der Hoffnung, die in uns ist, singen.

Doch wir sollen heute stumm bleiben.

Lass uns Wege finden dich zu preisen, mach unser Leben zu einem Lobgesang auf deine wunderbare Macht und Güte.

Durch Jesus Christus, unsern Herrn.

Amen

"Laudato si – Sei gepriesen" (EG 515,1)

Sei gepriesen, du hast die Welt geschaffen ...

Wandteppich in der Friedenskirche Rotensol

"Laudato si" – Dieses schier endlose und dennoch so beliebte Lied wollten die Dobler Konfirmanden in ihrem Gottesdienst am Sonntag Kantate (das heißt: "Singt") die Gemeinde singen lassen und selbst vortragen. "Laudato si, o mi signore – Sei gepriesen, du bist wunderbar, Herr!" Schier endlos erscheint dieses Lied mit seinen neun Strophen und dem langen Refrain, weil es immer neue Gründe aufführt, Gott zu loben. So setzt das moderne Lied um, wozu schon der alte Choral auffordert: "Lob Gott getrost mit Singen" (EG 243).

 

"Laudato si, o mi signore – Sei gepriesen, denn du bist wunderbar, Herr!" Sechs der neun Strophen besingen die Schöpfung, loben Gott den Schöpfer. Im Gesang erzählen sie die Schöpfungsgeschichte nach. Und so führt das Lied das "Lob des Schöpfers" von Psalm 104 fort.

 

Doch nun, in der Corona-Krise ist die Konfirmation verschoben, niemand kann sagen bis wann. Am Sonntag Kantate feiern wir zum ersten Mal seit vielen Wochen wieder Gottesdienst in der Kirche, aber mit strengen Regeln, unter vielfältigen Vorsichtsmaßnahmen und: ohne Gesang! Ein Sonntag Kantate (das heißt: "Singt") ohne Gesang … Wie steht es da mit dem Lied, das die Wunder der Schöpfung besingt?

 

Schöpfung von Käthe Schaller-Härlin (Gaisburger Kirche, Stuttgart)

Am Ende des sechsten Schöpfungstages zieht der Schöpfer Bilanz:

 

Gott sah an alles, was er gemacht hatte,
und siehe, es war sehr gut. (Gen 1,31)

 

Können wir dem zustimmen angesichts einer Viruserkrankung, die weltweit wütet, zu deren Abwehr das alltägliche Leben in bislang unbekannter Weise eingeschränkt werden muss? War alles sehr gut? Ist alles sehr gut?

 

Ein ausschließlich begeisterter Blick auf die Schöpfung, der Blick allein auf blühende Frühlingswiesen und Gärten blendet den Ausgangspunkt aus:

 

Am Anfang … war die Erde wüst und leer. (Gen 1,2)

 

Die hebräischen Worte für "wüst und leer" kennen wir bis heute: tohu wa bohu. Auf der Erde war Tohuwabohu, das heißt Unordnung, Chaos. (Und es verharmlost diesen Zustand wohl, wenn wir gelegentlich den Zustand der Kinderzimmer als Tohuwabohu bezeichnen.) Gottes Schöpfung beginnt damit, dieses Chaos zu ordnen. Gott scheidet Wasser und Land, Licht und Finsternis, Tag und Nacht. Erst auf dieser Grundlage, erst als die Elemente geordnet waren, schuf Gott das, was wir meist als Schöpfung verstehen: Pflanzen, Tiere und schließlich die Menschen. Danach schuf er noch die Ruhe …

 

In der Schöpfung hat Gott das Chaos geordnet, aber nicht abgeschafft. Das war denen, die die Schöpfungsgeschichte aufgeschrieben haben, klar und wichtig. Und wenn das Chaos nicht abgeschafft ist, kann es wieder hervorbrechen, kann die Erde wieder Tohuwabohu werden. Einen kleinen und doch so schrecklichen Vorgeschmack darauf bietet die Sintflut; da lässt Gott die Wasser wieder hervorquellen, von oben und von unten. Da hebt Gott die Unterscheidung von Wasser und Land teilweise wieder auf. Schöpfung – als Ordnung im Tohuwabohu verstanden – … Schöpfung ist also nicht selbstverständlich und nicht nur schön. Gehört etwa das Corona-Virus nicht auch zur Schöpfung? Danken wir dafür auch? Garantiert nicht!

 

Kreuz in der Dobler Kirche

So singt das Lied in den letzten drei Strophen vornweg immer noch das überschwängliche Lob der Schöpfung, nun aber auch im Wissen um die Endlichkeit, um den Tod. Erst mit Blick auf Jesus:

 

Sei gepriesen für Jesus, unsern Bruder! …
Sei gepriesen, er ist für uns gestorben!

 

… dann aber auch ganz allgemein:

 

Sei gepriesen, o Herr, für Tod und Leben!

 

Gepriesen auch für den Tod? Manchmal sterben Menschen alt und lebenssatt. Dann sind die Hinterbliebenen immer noch traurig, blicken aber vor allem auf das würdige Ende eines langen Lebens. Oft aber sind die letzten Tage eines Menschen eine Qual. Und wenn ein junger Mensch stirbt, erschrecken wir und sind ratlos.

 

"Laudato si, o mi signore – Sei gepriesen, denn du bist wunderbar, Herr!" Die Verhältnisse erlauben uns nicht, dieses Lob am Sonntag Kantate vollmundig zu singen. Damit kann ich schwer leben. Doch auf den zweiten Blick öffnet die Einschränkung einen weiteren Blick auf das Gotteslob. Gotteslob in Zeiten einer weltweiten Viruserkrankung, ein Sonntag Kantate (das heißt: "Singt") ohne Singen – das zwingt mich, genauer hinzuschauen. Dann sehe ich: In der Schöpfung hat Gott das Chaos geordnet, aber nicht beseitigt. Schöpfung ist nicht nur frühlingsgrün und schön, sondern in der Schöpfung müssen wir auch mit dem Tod rechnen, mit dem eigenen Tod, aber auch mit dem Tod eines anderen für uns.

 

Amen

"Wohl dem, der einzig schauet nach Jakobs Gott und Heil!" (EG 302,2)

Wir beten:

Als christliche Gemeinde danken wir Gott für alle Menschen, die in diesen Tagen mit segensreicher Kraft in Fürsorge, Solidarität und Liebe für andere da sind.

Wir bitten wir Gott um den Geist des Trostes für alle Kranken.

Wir rufen: Erhöre uns!

Wir bitten Gott um den Geist der Kraft für alle, die für andere sorgen.

Wir rufen: Erhöre uns!

Wir bitten Gott um den Geist der Barmherzigkeit für alle Gesunden.

Wir rufen: Erhöre uns!

Wir klagen Gott die Not, die diese Pandemie in so viele Menschenleben bringt.

Wir rufen: Erhöre uns!

Wir bitten Gott, dass er seine geordnete Schöpfung erhält, damit das Chaos
nicht wiederkehrt.

Wir rufen: Erhöre uns!

 

... wir beten weiter, wie Jesus uns gelehrt hat:

 

Vater unser im Himmel!

Geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe,

wie im Himmel, so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich

und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

 

Amen.

"Ach ich bin viel zu wenig, zu rühmen seinen Ruhm" (EG 302,8)

Geht hin ...

Auferstehungskreuz Neusatz

... geht trotz aller Unsicherheit zuversichtlich in die kommenden Tage:

 

Der Herr segne dich und behüte dich.

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.

Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.

Amen

 

 

Pfr. Matthias Ahrens

Zum Ausdrucken und Weiterreichen finden Sie hier eine pdf-Datei.