An Stelle des Gottesdienstes am Sonntag Jubilate (3. Mai 2020)

Im Namen des dreieinigen Gottes: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen

Der dreieinige Gott (Kirche Dobel)

Noch einmal ein Gottesdienst zu Hause, diese Andacht lesen, im Radio oder einen Podcast hören, am Bildschirm anschauen. Aber in der nächsten Woche ... Ja, ab dem 10. Mai können wieder Gottesdienste in den Kirchen stattfinden. Aber das werden nicht die gewohnten Gottesdienste sein. Die Landeskirche schlägt einen verkürzten Gottesdienstablauf vor, liebe Gemeinde. All das, was für uns den Gottesdienst ausmacht, wird geprüft unter der Frage: Ist es mit dem Infektionsschutz vereinbar? Deshalb werden die, die zusammenkommen, weit auseinander sitzen, nicht singen, sich nicht die Hand geben, sondern die Hände desinfizieren.

 

Heute aber, am Sonntag Jubilate, können wir noch nicht zum Gottesdienst zusammenkommen, heute habe ich noch einmal eine Andacht an Stelle des Gottesdienstes vorbereitet.

 

Die Überschrift "Jubilate" nimmt Ps 66 auf: Jauchzet Gott, alle Lande! Ist das angemessen in unseren Tagen?, werden einige Fragen. Haben wir Grund zu jauchzen? Nun: Das Gotteslob der Psalmen ist eigentlich immer trotzig, immer angefochten; es geschieht meist angesichts von Not und Einschränkung. (Im Psalm 22, um den es am Karfreitag ging, wird das besonders deutlich.) Mit den Psalmen loben wir Gott, "der unsre Seelen am Leben erhält" - in Gefahr und Anfechtung. Im Lob erinnert Psalm 66 daran, wie das Volk Israel dem Heer des Pharaos und der Meeresflut entgangen ist (siehe unten).

 

Und vergleichbar vieldeutig ist es, wenn Jesus sagt: "Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben". Aber dazu mehr unten ...

"Jauchzt, alle Lande, Gott zu Ehren" (Evangelisches Gesangbuch 279,1)

Jauchzet Gott, alle Lande! – Wir beten mit Worten von Psalm 66

Jauchzet Gott, alle Lande!

Lobsinget zur Ehre seines Namens;

rühmet ihn herrlich!

Sprecht zu Gott: Wie wunderbar sind deine Werke!

Deine Feinde müssen sich beugen vor deiner großen Macht.

Alles Land bete dich an und lobsinge dir,

lobsinge deinem Namen.

Kommt her und sehet an die Werke Gottes,

der so wunderbar ist in seinem Tun an den Menschenkindern.

Er verwandelte das Meer in trockenes Land, /

sie gingen zu Fuß durch den Strom;

dort wollen wir uns seiner freuen.

Er herrscht mit seiner Gewalt ewiglich, /

seine Augen schauen auf die Völker.

Die Abtrünnigen können sich nicht erheben.

Lobet, ihr Völker, unsern Gott,

lasst seinen Ruhm weit erschallen,

der unsre Seelen am Leben erhält

und lässt unsere Füße nicht gleiten.

Amen

"Bei dir, Jesu, will ich bleiben" (EG 406)

Jesus Christus spricht: "Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben"

Parament Friedenskirche Rotensol

Ab Juni, nach Pfingsten wird in Rotensol wieder dieses grüne „Parament“ (für uns ein schmückendes Tuch, das die Kirchenjahreszeit andeutet) an der Kanzel hängen. Mit groben Fäden gewebt sind dort zwei Reben, Weintrauben dargestellt, die an einem Weinstock hängen. Nur an einem Weinstock? Es scheint, als seien es zwei Stöcke, ein dickerer, ein dünnerer, die zusammengehalten werden … ja: durch was eigentlich? Die jeweils drei schwarzen Striche: stellen sie Bänder dar? Auf jeden Fall irgendeine Verbindung. Reben am Weinstock, sonst ist nichts, sonst ist niemand zu sehen auf dem Parament.

 

Wein und Kirche - da denken wir ans Abendmahl. Wein und Bibel - da fällt mir auch das Psalmwort ein:

 

… dass der Wein erfreue des Menschen Herz.
(Ps 104,15)

 

Aber bis wir uns am Wein erfreuen können, ist viel zu tun. Ganz abgesehen von der eigentlichen Weinherstellung – schon der Weinanbau ist mühsame Handarbeit. Ich habe viele Jahre von unserer Wohnung auf einen Weinberg geschaut. Für die Wengerter geht es im späten Winter los; da schneiden sie die kahlen Zweige des vergangenen Jahres bis auf den Weinstock ab und rechen sie aus dem Weinberg heraus. Wenn dann die neuen Triebe lang genug sind, binden die Wengerter sie mit der Hand an den Rankhilfen fest.

 

https://glossar.wein-plus.eu

Gerade im Frühsommer, wenn alles wächst, mähen sie das Kraut zwischen den Reihen. Dann müssen sie die Weinstöcke gegen Schädlinge und Pilze schützen. Wenn sich zu viele Trauben entwickeln, sind im Verlauf des Sommers Reben abzuschneiden; nur so ist die Qualität zu sichern. Und wenn Trauben faulen, schneiden die Wengerter die am besten auch heraus. Die Lese bleibt – zumindest in Stuttgart und Umland – Handarbeit. Mit großen Bottichen auf dem Rücken gehen die Erntehelfer die steilen Hänge hinauf. Sind die Bottiche voll, gehen sie zum Sammelplatz und leeren sie aus. Der Weinbau ist mühsame Handarbeit; die Weingärtner haben vom Winter bis zum Herbst zu tun. Wenn dann der Most im Fass ist, erst dann haben sie etwas Zeit für ein Erntefest, können die Menschen sich am Wein erfreuen.

 

Als mühsame Handarbeit kennt auch Jesus den Weinbau. Die hat er vor Augen, wenn er in einem Bild aus dem Weinbau spricht (Joh 15,1-8):

 

Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater der Weingärtner. … Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.

 

Doch wie Jesus das Bild weiter ausführt – das ist keine ländliche Idylle, das hat wenig mit entspanntem Weintrinken zu tun, aber viel mit der harten Arbeit im Weinberg. Erst spricht er vom Weingärtner:

 

Mein Vater der Weingärtner - eine jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, nimmt er weg; und eine jede, die Frucht bringt, reinigt er, dass sie mehr Frucht bringe.

 

Niemand betreibt Weinbau, niemand nimmt die mühsame Arbeit auf sich wegen des schönen grünen Laubs. Es geht um den Ertrag. Nur das, was erst in den Weinbergen wächst, kann man später als Wein trinken.

 

Dann spricht Jesus vom dauerhaften Weinstock und den Reben, die jährlich neu wachsen.

 

Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.

 

Nur die Rebe bringt Ertrag, die bis zur Lese mit dem Weinstock verbunden bleibt. So einfach ist das.

 

Grabkapelle und Weinberge in Stuttgart (https://blog.weinheimat-wuerttemberg.de/)

Jesu Rede vom Weinstock und den Reben ist also ein ziemlich ernstes Bild. Damit sagt er deutlich: Gott schaut auf den Ertrag. Und ihr könnt nur Ertrag bringen, wenn ihr mit mir in Verbindung steht. Wie geht das zusammen mit der Vorstellung vom "lieben Gott", die uns näher liegt?

 

Ganz einfach: Die Vorstellung allein vom "lieben Gott" greift zu kurz. Der Gott der Bibel, der Vater Jesu ist eben nicht einfach der "liebe" Gott nach dem Motto "Ich bin ok, du bist ok". Der Gott der Bibel schließt einen Bund mit Israel und gibt ihm Gebote. Der Gott der Bibel hat Jesus als Licht in die Welt gesandt, um die menschliche Finsternis zu erleuchten (Joh 1,4f). Dieser Gott will, dass die Menschen nach seinem Willen leben, dass sie – im Bild vom Weinstock gesprochen – Ertrag bringen. Das ist die Grundlage des Verhältnisses von Gott und seinem Volk.

 

Doch die meisten, die nach Gottes Willen leben wollen, kommen über kurz oder lang zu der Einsicht, die der Apostel Paulus so formuliert:

 

Das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. (Rö 7,19)

 

Ja, oft wird mir klar, wie ich am eigenen und an Gottes Anspruch scheitere. Doch erst wenn ich dieses Scheitern vor Gott eingestehe – dann kann ich Gottes Gnade erfahren, dann erfahren wir Gottes Gnade. Dann zeigt sich, dass der Weinstock Jesus seine "Reben" - seine Jünger, uns - ernährt, wie es der Choral oben sagt:

 

Du bist meines Lebens Leben,
meiner Seele Trieb und Kraft,
wie der Weinstock seinen Reben

zuströmt Kraft und Lebenssaft.

 

Wenn wir Gnade trotz unseres Scheiterns erfahren, wenn wir der Gnade gewiss sind, wenn wir versöhnt sind mit Gott, dann können wir auch den Wein genießen, zu dem die Reben mit harter Arbeit gekeltert werde.

 

Amen

"Des süßen Weinstocks starker Saft/ bringt täglich neue Stärk und Kraft" (EG 503,6)

("Geh aus, mein Herz, und suche Freud")

Wir beten:

Du, Herr Jesus Christus, bist der Weinstock, wir sind die Reben.

Du bist unseres Lebens Leben, unserer Seele Trieb und Kraft.

Lass uns in dir bleiben, lass uns viel Frucht bringen.

Lass uns in dir bleiben und erhöre uns:

Heile die Kranken und beschütze ihre Familien, Angehörigen und Freunde vor Ansteckung.

Stärke und ermutige die, die im Gesundheitswesen arbeiten – alle, die für Kranke und ihre Familien sorgen.

Inspiriere alle, die an Impfstoffen forschen. Gib ihnen Erkenntnisse und Weitblick.

Erhalte die Menschen, deren Arbeit und Einkommen durch Schließungen, Quarantänen, geschlossene Grenzen und andere Einschränkungen bedroht sind. Beschütze alle, die reisen müssen.

Heile unsere Welt. Heile unsere Körper. Stärke unsere Herzen und Sinne. Und in der Mitte der Krise gib uns Hoffnung und Frieden.

In deinen gnädigen Armen halte alle, die gestorben sind und die in dieser Zeit sterben werden. Tröste ihre Hinterbliebenen, tröste die, die verzweifelt sind.

Gedenke der Menschheit und deiner ganzen Schöpfung, in deiner großen Liebe.

 

... wir beten weiter, wie Jesus uns gelehrt hat:

 

Vater unser im Himmel!

Geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe,

wie im Himmel, so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich

und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

 

Amen.

"Weinstock, hilf, dass diese Rebe/ auch im Glauben dich umgebe" (EG 206,4)

(Melodie: "Liebster Jesu, wir sind hier")

Geht hin ...

Auferstehungskreuz Neusatz

... geht trotz aller Unsicherheit zuversichtlich in die kommenden Tage:

 

Der Herr segne dich und behüte dich.

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.

Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.

Amen

 

 

Pfr. Matthias Ahrens

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