"Friede und Sicherheit"? - Gottesdienst am 08.11.2020

Zum Ausdrucken und Weiterreichen finden Sie hier eine pdf-Datei.

Im Namen des dreieinigen Gottes: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen

Der dreieinige Gott (Kirche Dobel)

Den "drittletzten Sonntag des Kirchenjahres" feiern wir. Warum muss man das zählen? Muss man nicht unbedingt. Aber dieser vordergründig sachliche Name für den Sonntag bringt das Ende des Kirchenjahres ins Spiel. Und am Ende des Kirchenjahres geht es auch um das Ende: das Ende des menschlichen Lebens, an diesem Sonntag um das Ende der Welt, wie wir sie kennen.

 

Es ist erstaunlich: Dieses Ende der Welt wird uns heute vielfach angekündigt. Nur selten aber bringt jemand das mit dem "Tag des Herrn" in Verbindung. Da gibt es einerseits die meist ökologisch begründete Furcht vor dem Ende der Welt. Und da gibt es andererseits unser kirchliches Leben, als wenn die Welt ewig so weiterliefe.

 

Im Predigttext sieht der Apostel Paulus diejenigen auf dem Holzweg, die "Friede und Sicherheit" verkündigen. Wie gefährdet beide sind, erleben wir gerade ... Da ist es gut, in dieser Frage auf das neutestamentliche Zeugnis zu hören.

"Der Himmel, der ist, ist nicht der Himmel, der kommt" (Ev. Gesangbuch 153,1)

Wir beten:

Barmherziger Gott, du weckst in uns die Sehnsucht nach Erneuerung unserer Welt. Lass uns erkennen, wo dein Reich heute schon unter uns ist.

 

Unsere Welt sehnt sich nach Frieden. Unser Friede ist Christus: Versöhne alle Menschen in ihm und lass die Kraft seiner Liebe die ganze Schöpfung durchdringen.

 

Gib uns die Kraft und den Mut zu tun, was dem Frieden dient, und dein Heil zu erwarten.

 

Durch Jesus Christus, unsern Herrn.

 

Amen

"Der Himmel, der kommt, das ist der kommende Herr" (EG 153,2)

"... wie ein Dieb in der Nacht"

1 Von den Zeiten aber und Stunden, Brüder und Schwestern, ist es nicht nötig, euch zu schreiben; 2 denn ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht.
3 Wenn sie sagen: "Friede und Sicherheit", dann überfällt sie schnell das Verderben wie die Wehen eine schwangere Frau, und sie werden nicht entrinnen.
4 Ihr aber seid nicht in der Finsternis, dass der Tag wie ein Dieb über euch komme. 5 Denn ihr alle seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages. Wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis.
6 So lasst uns nun nicht schlafen wie die andern, sondern lasst uns wachen und nüchtern sein.
(1Thess 5)

 

Nichts wissen wir, gar nichts, selbst wenn wir genau wissen, "dass der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht". Denn wer weiß schon, wann ein Dieb in der Nacht kommt? Es braucht schon einige prophetische Gabe, um überhaupt zu wissen, dass ein Dieb in der Nacht kommt. Was die Gemeinde in Thessalonich, was die Leute, die Paulus als "Brüder und Schwestern" anspricht, von anderen unterscheidet, ist das: diese Leute, wir (?) ahnen – mehr oder weniger –, dass der "Tag des Herrn" kommt. Was ist der "Tag des Herrn"? Nun, das ist auf jeden Fall der Tag, an dem die Welt, wie wir sie kennen, zu Ende geht. Man kann diesen Tag herbeisehnen, weil an diesem Tag Jesus wiederkommt und Gottes Reich endgültig aufrichtet. Man kann sich aber auch vor diesem Tag fürchten, weil er das Jüngste Gericht mit sich bringt. Und wer weiß, ob ich darin bestehen kann?

 

aus J. Zink: Die letzten sieben Tage der Schöpfung

Es ist erstaunlich: Das Ende der Welt, wie wir sie kennen, wird uns heute vielfach angekündigt. Nur selten aber bringt jemand das mit dem "Tag des Herrn" in Verbindung. Da gibt es einerseits die meist ökologisch begründete Furcht vor dem Ende der Welt. Und da gibt es andererseits unser kirchliches Leben, als wenn die Welt ewig so weiterliefe. Zehn Jahre lang hat die Evangelische Kirche in Deutschland auf das Reformationsjubiläum vorbereitet! Wie viele Mitglieder die Kirchen 2060 haben werden – in vierzig Jahren also! – hat eine kirchliche Studie in diesem Jahr berechnet.

Wie auch immer das mit dem "Tag des Herrn" im Einzelnen aussieht – die Stimmung, die der Apostel anspricht, die kennen wir:

 

"Friede und Sicherheit" erschienen uns viele Jahr lang selbstverständlich. Nicht nur Arbeit sollen die Leute haben, sondern gute Arbeit, mit Anrecht auf Teilzeit und Home Office. Die Alterseinkommen sollen für alle auskömmlich sein. Allein saubere Energieversorgung soll es in Zukunft geben. Elektrische Autos sollen den Schadstoffausstoß vermindern. Jedes Kind soll einen Kindergartenplatz haben, damit die armen Kinder so gut gefördert werden wie die reichen. Für viele Jahre erschienen uns "Friede und Sicherheit" selbstverständlich.

Doch dann überfiel uns "schnell das Verderben", wegen der Corona-Ausbreitung wurde und wird das tägliche Leben heruntergefahren, eingefroren. Dadurch bricht die Konjunktur ein. Auf einmal bangen Beschäftigte wieder um ihren Arbeitsplatz und müssen mit Gehaltseinbußen leben. Die Versorgung aus heimischer Produktion wird wieder wichtiger. Eltern müssen ihre Kinder zu Hause betreuen. Und wenn die Schulen den Betrieb wieder aufnehmen, dann zu unmöglichen Zeiten, immer in der Erwartung, dass die ganze Klasse morgen in Quarantäne muss. Nichts mehr: "Frieden und Sicherheit"!

 

Was ist unsere Erwartung? Dass es wieder so wird wie vorher? Dass die Welt, wie wir sie kennen, an ihr Ende kommt? Chaos? Oder Heil? Gleichen wir eher "denen" in der Finsternis? Oder gleichen wir den "Brüdern und Schwestern" im Licht? Sie wissen, dass die Welt, dass unser Leben ein Ziel hat, dass die Welt ein Ende hat. Wissen wir es?

 

Christus als Richter (Mosaik in Ravenna)

Wie auch immer das im Einzelnen aussieht – die Stimmung, die Paulus anspricht, die kennen wir. Gerade in diesem Jahr kennen wir sie nur zu gut.

 

In dieser Stimmung hält Paulus zweierlei fest:

 

Der "Tag des Herrn" kommt zwar wie ein Dieb in der Nacht, aber er kommt. Gott hat die Welt nicht nur vorzeiten geschaffen. Gott wird die Welt auch zum Ende führen. Das Neue Testament spricht von einem Gericht am Ende; das heißt: es ist – auch über dieses Leben hinaus – nicht egal, wie jemand lebt und handelt. Taten haben Folgen, jetzt oder bei Gott. Aber unser Herr ist ein gnädiger Richter. Wir können uns auf sein Reich freuen.

 

Bis dahin aber empfiehlt der Apostel:

 

Lasst uns wachen und nüchtern sein

 

… wachen und nüchtern sein in beide Richtungen:

  • Nüchtern leben mit dem Wissen, dass die Welt zu Ende geht, irgendwann und mit Gottes gnädigem Gericht. Nüchtern, ohne hitzige Phantasien vom Weltuntergang.
  • Zugleich aber auch nüchtern leben in der Zeit, die uns verbleibt, von der niemand weiß, wie lange sie noch dauert. Nüchtern, ohne sich zu sicher einzurichten, ohne falsche Gewissheiten von "Frieden und Sicherheit" zu verbreiten. Nüchtern und wachsam leben.

 

Dabei fielen mir wieder die Freizeiten in meiner Jugend ein. In der Morgenandacht haben wir uns für den Tag das vorgenommen, was der Apostel rät. Wir haben gebetet:

 

Die Nacht ist vergangen, der Tag ist herbeigekommen. Lasset uns wachen und nüchtern sein und abtun, was uns träge macht. Lasset uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns verordnet ist.

 

So will ich auch heute die Tage beginnen. Ich lade alle ein, mitzutun.

 

Amen

"Der Himmel, der kommt, das ist die fröhliche Stadt" (EG 153,4)

Wir beten:

Herr Jesus Christus, erhalte uns in deiner Gemeinschaft. Hilf, dass dein Friede sich auch durch uns ausbreite, bis du wiederkommst in Herrlichkeit.

 

Wir bitten um ein waches Gewissen, um ein offenes, ruhiges Herz;

 

um Verständnis für unsere Mitmenschen, um Hilfsbereitschaft und um Mut, die Wahrheit zu sagen;

 

um die Fähigkeit, allen Menschen so zu begegnen, dass sie auch durch uns Gottes Liebe erfahren;

 

für unsere Kirche und die ganze Christenheit, dass sie über alles Trennende hinweg eins werde im Glauben und im Tun;

 

für unser Volk und alle Völker der Welt, dass sich Gerechtigkeit durchsetze und Friede werde.

 

... wir beten weiter, wie Jesus uns gelehrt hat:

 

Vater unser im Himmel!

Geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe,

wie im Himmel, so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich

und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

 

Amen.

"Der Himmel, der kommt, grüßt schon die Erde, die ist" (EG 153,5)

Geht hin ...

Auferstehungskreuz Neusatz

... geht trotz aller Unsicherheit zuversichtlich in die kommenden Tage:

 

Der Herr segne dich und behüte dich.

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.

Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.

Amen

 

 

 

Pfr. Matthias Ahrens