Gottesdienst am Sonntag Exaudi (24. Mai 2020)

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Im Namen des dreieinigen Gottes: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen

Der dreieinige Gott (Kirche Dobel)

Nach den Wochen ohne Gottesdienst in den Kirchen machen wir nun Erfahrungen mit eingeschränkten Gottesdiensten. Das klappt mal schlechter - ... wenn im Kirchenraum wegen der Maske ständig die Brille beschlägt ... -, mal besser, etwa beim Gottesdienst im Grünen. Wie hätten wir es gern? Was ist nach den Verordnungen möglich, was vernünftig? Wir nehmen unsere Erfahrungen auf und machen das Beste aus der Situation.

 

Auf jeden Fall feiern wir wieder Gottesdienst an diesem 6. Sonntag nach Ostern. Er heißt traditionell "Exaudi" nach Psalm 27,7:

 

Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe!

 

Alle, die in die Kirche kommen, bitten wir eine Mund-Nasen-Bedeckung mitzubringen! Ansonsten sorgt die Kirchengemeinde dafür, dass die Bestimmungen zum Infektionsschutz eingehalten werden.

 

Für alle, denen der Gottesdienstbesuch noch zu riskant oder zu sehr durch Regeln beschränkt ist, stelle ich weiterhin diese Andacht im Internet und als Ausdruck zur Verfügung. Wer die entsprechende eMail-Nachricht oder den Ausdruck haben möchte, kann sich gern im Pfarramt oder Gemeindebüro melden.

 

Bei allen Regeln und Einschränkungen können wir nach draußen schauen oder in den Garten gehen und dabei feststellen:

"Wie lieblich ist der Maien" (Evangelisches Gesangbuch 501,1)

Wir beten:

Herr Jesus Christus.

 

Du bist in den Himmel aufgefahren und sitzt zur Rechten des Vaters.

Lass uns nicht unsicher und hilflos zurück,

sondern schick uns den Geist der Wahrheit, den du verheißen hast.

Er wird uns lehren, was du gesagt hast.

Sei du bei uns, damit wir bei dir und bei einander bleiben, heute und alle Zeit.

 

Amen

"Herr, dir sei Lob und Ehre" (EG 501,2)

Wiederholtes Scheitern und Gottes Treue

Der Predigttext für diesen Sonntag ist in unserer Luther-Bibel fast durchgängig fett gedruckt. Das signalisiert: Wichtig! Ganz wichtig! Außerordentlich wichtig! Und tatsächlich geht es darin um den neuen Bund, den Gott schließen will. In Jeremia 31 heißt es:

 

31 Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, 32 nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, mein Bund, den sie gebrochen haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der Herr; 33 sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der Herr: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein. 34 Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: "Erkenne den Herrn", denn sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der Herr; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.

 

 

Wichtig! Ganz wichtig! Außerordentlich wichtig! Jeweils mit Ausrufezeichen versehen. Da kann ich nur vor Ergriffenheit erstarren – oder, liebe Gemeinde?

 

Mal die Ausrufezeichen weggedacht und den Fettdruck und die Bedeutung und die Ergriffenheit – so für sich genommen spricht dieser Abschnitt eigentlich vom wiederholten Scheitern und von einem absehbar untauglichen Vorschlag für die Zukunft.

 

Wiederholtes Scheitern: Mich erinnert das an Erfahrungen als Vater und als Lehrer. Da will man das Beste für die Kinder und Jugendlichen, aber man dringt nicht durch. Ob im Guten oder im Bösen versucht, geduldig oder polternd – mit keinem meiner Mittel habe ich Erfolg. Beim der nächsten Gelegenheit machen sie wieder nicht, was ich von ihnen erwarte, oder sie machen, was ich ihnen verboten habe.

 

Mose mit den Geboten (an der Gaisburger Kirche, Stuttgart)

So ist es auch mit dem Bund, den Gott mit dem Volk Israel geschlossen hat, gegangen. Von der Zeit an, …

 

als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen

 

… von Anfang an hat das Volk sich nicht an Gottes Wort gehalten. In der Wüste haben sie gemurrt, am Berg Sinai haben sie das Goldene Kalb angebetet. Auch später, wie es die Bibel erzählt, hat das Volk sich anderen Göttern zugewandt. Dann, das prangern vor allem die Propheten an, haben die Besitzenden die Armen ausgebeutet, Witwen und Waisen verachtet und die Mächtigen außenpolitisch Schutz bei fremden Mächten gesucht.

 

Keine Strafe hat geholfen und keine andere pädagogische Maßnahme. Dabei hat Gott, wie wir lesen, so viel versucht: die Wüstenwanderung auf vierzig Jahre ausgedehnt und feurige Schlangen unter das Volk geschickt, als sie murrten. Dürren, militärische Niederlagen und Fremdherrschaft – das alles, so die Propheten, waren Strafen Gottes, weil das Volk den Bund gebrochen hat. Aber auch die gegenteilige Reaktion, Milde hat nicht geholfen. Wie oft hat Gott den Bund mit Israel erneuert? Wie oft hat Israel beteuert, nur nach den Geboten seines Gottes leben zu wollen? Aber jetzt, jetzt soll es gelingen:

 

Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen …

 

Und weshalb soll jetzt gelingen, was so oft schief gegangen ist?

 

Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein.

 

Der Nürnberger Trichter soll ran, um es salopp zu sagen. Der Bund mit Gott, Gottes Gebote zu halten oder auch nicht – das soll nicht mehr in der Entscheidung der Menschen liegen, da soll es keine Wahl geben. Denn der Bund mit Gott und Gottes Gebote kommen nicht mehr von außen auf den Menschen zu, nicht mehr als Gegenüber. Nein: Gott schreibt dem Volk seine Weisung gleich in Herz und Sinn. Dann können die Menschen gar nicht mehr anders; dann müssen sie, dann werden sie diesen neuen Bund halten. Dann …

 

… wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren …, denn sie sollen mich alle erkennen.

 

Dann braucht es keine Pfarrer mehr, keine Religionslehrer und keine Eltern, keine Paten, keine Hauskreisleiter, keine … was auch immer wir jetzt haben, um Gottes Wort zu lehren, zu verbreiten und zu durchdringen.

 

Das ist in meinen Augen ein untauglicher Vorschlag für die Zukunft, weil die Menschen nun mal so sind, wie sie sind, weil wir so sind, wie wir sind. Seit Eva und Adam vom Baum der Erkenntnis gegessen haben, können wir Gut und Böse unterscheiden, handeln wir gut und böse. Wer Gottes Weisung in Herz und Sinn schreiben will, möchte diese Fähigkeit zurücknehmen. Ginge es nicht um Gottes Wort und seinen Bund, dann würden wir deutlich sagen: Wer etwas in Herz und Sinn schreiben will, der möchte den Menschen die Möglichkeit zur Entscheidung nehmen, der möchte seinen Willen ohne Wenn und Aber durchsetzen. Der möchte das Gute erzwingen. Basta! … um ein Wort vom alten Kanzler Schröder aufzunehmen. Ohne Freiheit direkt in Herz und Sinn schreiben – das wird nicht klappen, das ist auch gar nicht erstrebenswert.

 

Lucas Cranach d. Ä.: Luther als Evangelist Matthäus

So für sich genommen spricht dieser Abschnitt also vom wiederholten Scheitern und von einem untauglichen Vorschlag für die Zukunft. Nun fällt es mir nicht leicht, das festzustellen. Denn steht da nicht ganz deutlich:

 

Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr?

 

Widerspricht der Pfarrer dem Wort Gottes? Nun: Schon das Schulbuch für den Religionsunterricht in der 10. Klasse behandelt die Frage: Ist die Bibel Gottes Wort oder Menschenwort? Und die Lektion kommt zu dem Ergebnis: Die Bibel ist Gottes Wort in Menschenmund. Was ist nun Gottes Wort, was der menschliche Anteil? Ist schon alles Gottes Wort, was so angekündigt wird? Die Bibel selbst kennt die Unterscheidung zwischen Propheten und falschen Propheten. Und das ist keine objektive, keine natürliche Unterscheidung. Ein Wort, das beansprucht, Gottes Wort zu sein, wird zu Gottes Wort, wenn eine Gemeinschaft, eine Kirche, eine Gemeinde es anerkennt. Was ist Gottes Wort, was der menschliche Anteil?

 

In meinen Augen ist es verzweifelte menschliche Machtphantasie, die etwas

 

in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben

 

will, also die richtige Lehre, den richtigen Glauben ein für alle Mal und unabänderlich im Volk Gottes festlegen. So etwas wünschen sich Eltern, so etwas wünschen sich Lehrer, wenn die Kinder und Jugendlichen andauernd nicht das tun, was sie sollen oder das tun, was sie nicht sollen, wenn sie nicht mehr weiterwissen.

 

Es ist überhebliche Machtphantasie zu meinen, man könne Gott erkennen, ohne sich über die unterschiedlichen Erfahrungen und Weltsichten auszutauschen, ohne Religion zu lehren.

 

Aber zuerst spricht der Predigttext davon, wie Gottes Bund mit seinem Volk immer wieder scheitert, … wie aber Gott diesen Bund immer wieder erneuert hat, immer wieder erneuert. Das erkennt unsere Kirche als Gotteswort an, das sagt sie weiter:

 

Gottes Treue gilt uneingeschränkt

 

betont unsere Württembergische Landeskirche (2000, siehe hier). Obwohl Gottes Volk den Bund immer wieder bricht oder verlässt – seit er

 

sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen –,

 

sucht Gott immer neue Wege, wie er sein Volk auf seine Weisung verpflichten kann.

 

Und einer dieser Wege, auf denen Gott auf sein Volk zugeht, ist Jesus Christus. Er hat das Wort vom „neuen Bund“ aus dem Jeremia-Buch aufgenommen. Bei jedem Abendmahl erinnern wir uns daran, was Jesus zu seinen Jüngern gesagt hat: Nehmt diesen Kelch und

 

Trinket alle daraus; das ist mein Blut des Neuen Bundes, das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.

 

Gott hat den Bund, den sein Volk immer wieder gebrochen hat, immer wieder aufgenommen und erneuert. Denn „Gottes Treue gilt uneingeschränkt“. Es gab und gibt also nicht nur einen alten und einen neuen Bund. Es gab und gibt – so gesehen – viele Bünde Gottes mit seinem Volk. Oder eben besser: Gott hat den einen Bund immer wieder erneuert.

 

Nach unserem Verständnis war Jesus Christus das endgültige Angebot Gottes, nach seiner Weisung zu leben, ein Angebot, das an das Volk Israel wie auch an alle anderen Menschen auf der Welt gerichtet war und ist. Und weil dieses Angebot, dieser neue Bund, für uns so wichtig ist, weil wir in diesem Bund unser ewiges Heil erwarten – deshalb ist praktisch der ganze Predigttext – mit Ausnahme von einem Vers – fett gedruckt.

 

Unsere Landessynode hat das in einem Satz ausgedruckt:

 

Gottes Treue gilt uneingeschränkt.

 

Das sollten wir uns zu Herzen nehmen. Darauf können wir uns verlassen.

 

Amen

"Herr, lass die Sonne blicken ins finstre Herze mein" (EG 501,3)

Wir beten:

Herr Jesus Christus,


du bist erhöht zur Rechten Gottes

und Herr über alles, was im Himmel und auf Erden ist.
Wie du im Abschied deine Hände über deine Jünger aufgehoben hast,
so segne nun auch uns und die ganze Christenheit.
Lass uns in deinem Geist leben und handeln.
Erfülle uns mit der Zuversicht,
dass du bei uns bist alle Tage
bis an das Ende der Welt.

 

... wir beten weiter, wie du uns gelehrt hast:

 

Vater unser im Himmel!

Geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe,

wie im Himmel, so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich

und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

 

Amen.

"Mein Arbeit hilf vollbringen" (EG 501,4)

Geht hin ...

Auferstehungskreuz Neusatz

... geht trotz aller Unsicherheit zuversichtlich in die kommenden Tage:

 

Der Herr segne dich und behüte dich.

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.

Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.

Amen

 

 

Pfr. Matthias Ahrens