Freue dich! - Gottesdienst am 1. Advent (29.11.2020)

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Im Namen des dreieinigen Gottes: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen

Der dreieinige Gott (Kirche Dobel)

Am ersten Advent beginnt das neue Kirchenjahr. Wir feiern schon das Neue, und stecken doch noch im Alten ... im alten Jahr, in den alten Problemen.

 

Im Gottesdienst sprechen wir schon das Neue an. Prädikant Gustav Bott nimmt das Prophetenwort auf, das wir als Lied kennen:

 

Tochter Zion, freue dich!

 

Er hat uns den Gottesdienstablauf und die Predigt vorab zur Verfügung gestellt. Herzlichen Dank!

"Tochter Zion, freue dich!" (Evangelisches Gesangbuch 13,1)

Wir beten:

Du unser Gott, groß wirst du uns vorgestellt.

Mächtig, herrlich, voller Ehre.

Wir jedoch suchen vor allem deine Nähe und vertrauen auf deine Nahbarkeit.

Und bitten:  Komm zu uns und lass uns auf dich treffen.

Rede zu uns Worte des Friedens.

Dass die Vorfreude wachse und die Augen weit sich öffnen  für dich, und wie du unerwartet klein erscheinst.

 

In der Stille breiten wir vor dir aus, was wir loswerden wollen und womit wir dir die Ehre geben.

 

Stille

 

Amen

"Hosianna, Davids Sohn" (EG 13,2)

1. Advent: Ein neuer Ton kommt in den Alltag

Liebe Gemeinde,
schön - oder? 1. Advent: Das Tannenreisig duftet, die Kerze brennt und der Geschmack von frischgebackenen Plätzchen liegt auf der Zunge.

 

Am 1. Advent: Ein neuer Ton kommt in den Alltag und die ersten Lebkuchenherzen schmecken einfach besonders gut. Wobei ich die gefüllten Lebkuchenherzen bevorzuge. Was mich manchmal vor ein Problem stellt. Denn wenn die Lebkuchenherzen auf dem Teller liegen, kann man ihnen nicht so ohne Weiteres ansehen, ob sie gefüllt sind oder nicht. Nehmen oder liegenlassen? Die Füllung erst garantiert für das fruchtige Geschmackserlebnis. Die Füllung macht’s.

 

Was drin steckt, macht’s. Wie bei dem König, von dem der Prophet Sacharja im Auftrag Gottes erzählt. Im 9. Kapitel des Sacharja-Buches steht es:

 

(9) Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze!
Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer,
arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin.
(10) Denn ich will die Wagen vernichten in Ephraim und die Rosse in Jerusalem, und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden.
Denn er wird Frieden gebieten den Völkern, und seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern und vom Strom bis an die Enden der Erde.

 

Ein König kommt! Ein Gerechter. Will sagen: Alle bekommen ihr Recht. Vor Gericht. In der Gesellschaft. Ohne Ansehen der Person. Alle haben ihr Lebensrecht. Und allen wird zugesprochen und gegeben, was dafür nötig ist. Allen. Auch den Benachteiligten. Gerade denen.

 

Ein König kommt! Ein Gerechter. Und – ein Helfer, genauer: Ein in Hilfe Erfahrener, ein Hilfserfahrener. Das ist wichtig. Der stülpt dir nicht einfach seine Hilfe über. Aus eigener Erfahrung schaut er hin. Was tut not? Was brauchst du, damit du dich wohl fühlst und weiter gehen, weiter machen, gut leben kannst? Und wie kommst du so zu der Hilfe, dass du sie gut annehmen kannst?

 

Ein König kommt. Und er sagt, was Sache ist: Friede. Und er sagt es für Zion und bis an die Enden der Erde. Die Menschen in Jerusalem und alle Völker bekommen es zu hören. Friede. Bis an der Welt Enden. Grundton, Grundthema in aller Welt – Friede.

 

Ein König kommt. Dein König, Tochter Zion, du, die durch dick und dünn, durch Auf und Ab mit Gott und auf ihn bezogen lebst. Dein König. Wie du - auf Gott bezogen. Klasse.

 

Und nun Augen auf:  Auftritt des Königs. Und wer kommt? Ein Armer! Armselig tritt er auf. Auf einem Esel. Genauer: Auf einem Eselchen. Moment. Wie sieht denn der aus? Statt Anzug und Krawatte Alltagsklamotten. Statt Machtinsignien leere Hände. Statt einem Hengst aus der Spanischen Reitschule – ein Esel  

 

Ein König? Wie will dieser Reiter der armen Gestalt denn Gerechtigkeit und Hilfe durchsetzen? Wie will der sich überhaupt als König durchsetzen? Zu Zeiten Sacharjas ist Jerusalem besetzt, das Land fremdbestimmt und die Menschen dort ihrer Selbstbestimmung beraubt und dem Willen anderer ausgeliefert.

 

Wie wir in diesem Jahr von Corona fremdbestimmt wurden, ausgeliefert, das Heft aus der Hand genommen. Man hält sich zurück, die Kultur am Boden, die Zukunft unsicher. Wie will man da planen? Wie will man gestalten? Wer sagt, was morgen kommt? Wer weist die Besetzer zurück in ihre Schranken? Wer Corona?

 

Eine Führungsperson mit großen Möglichkeiten wäre nötig. Dein König kommt. Er hat keine Gestalt und Hoheit. Wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte (Jes. 53,2). Wer will ihn schon ernst nehmen, diese armselige Gestalt? Was soll das? Was soll der uns bringen?

 

Ernstnehmen oder links liegenlassen? Aufgreifen oder verwerfen? Es ist wie bei den Lebkuchenherzen. Die Füllung macht‘s. Und die kann man nicht sehen.

 

Sacharja beschreibt das Auftreten des Königs. Und Sacharja benennt dessen Einsatz, hebt hervor den einen Satz, das eine Wort, für das der König einsteht: Friede.

 

Und mittendrin – ist es Ihnen aufgefallen? – mittendrin in dieser Beschreibung meldet sich Gott zu Wort. Ich, sagt er. Und sagt, was er, Gott, tun will.

 

Ich, Gott, ich will die Wagen vernichten in Ephraim und die Rosse in Jerusalem, und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden. (10a)

 

Gott vernichtet Wagen. Streitwagen. Inbegriff des schnellen Einsatzes. Gott vernichtet Wagen. Ende von Panzern und Düsenjets. Man wird nicht mehr überrollt werden. Auch nicht mehr von Pandemie-Wellen, Tsunamis oder Wirtschaftsmächten. Tweets von Präsidenten verebben, bevor der Finger die Nachricht versenden kann. Verbalattacken versanden, bevor sie den Empfänger erreichen. Gott vernichtet Wagen.

 

Und das Pferd. Das Pferd selbst darf leben bleiben. Doch als Statussymbol wird es ausgelöscht. Dann spricht keiner mehr vom hohen Ross. Da ragt keiner mehr über die anderen hinaus. Da bleibt nichts, was klein macht und ängstigt.


Und: Gott zerbricht den Kriegsbogen. Schlaff hängt die Sehne und Pfeile werden nutzlos. Gott zerbricht auch seinen eigenen Kriegsbogen! Nach der Sintflut hatte Gott seinen Kriegsbogen in den Himmel gehängt förmlich an den Nagel gehängt – als Regenbogen. Und jetzt geht Gott noch einen Schritt weiter. Er zerbricht den Kriegsbogen. Schade um den Regenbogen. Und doch gut für uns. Gott verzichtet nicht nur auf Gewalt. Er macht es für sich unmöglich, sich gegen uns zu wenden, uns zu verletzen, zu vernichten. Abrüstung total. Gott tut das. Weil Gott für den Frieden einsteht, darum kann der König von armseliger Gestalt den Frieden ansagen. Der kleine König eines Mini-Volkes ohne Macht kann um Gottes willen den Frieden ankündigen.

 

Die Füllung macht’s. Gott füllt das Wort des Königs. Doch die Füllung sieht man nicht. Man sieht nur das Äußere: Einen König. Der tut nichts. Der will nur reden. Will Frieden ansagen. Das ist sein Ein und Alles.

 

Der tut nichts. Der redet nur. –  Vor einiger Zeit gab es auf Fotos von Treffen hochrangiger Politiker und Politikerinnen mehr als einmal ein Gesicht zu sehen, bei dem man sich fragte: Und wer ist das? Eine Zeit lang war es einem Mann gelungen, sich immer wieder zwischen die Herrschenden zu schmuggeln. Und da stand er. Mittendrin. Freundlich lächelnd. Ohne Funktion. Ohne Befugnisse. Ohne Möglichkeiten. Als das aufflog, lachte man. Es hatte so was Harmloses – und doch zutiefst Subversives. Weil, ja, weil dieser Mensch daran erinnerte, um wen es bei den Treffen gehen sollte: Um jedermann. Der Mann auf den Fotos, der tat nichts. Und doch veränderte er etwas. Stellen Sie sich entsprechend vor, bei allen Gipfeltreffen zu allen möglichen Themen wäre einer dabei, der immer wieder sagen würde: Friede.

 

Also:  Es geht nicht primär um Wirtschaft, sondern um Frieden. Und von daher und erst dann um die Frage, wie Wirtschaft aussehen muss. Oder: Es geht nicht primär um die Eindämmung einer Pandemie, sondern um Frieden. Und dann um die Frage, wie sich unter dieser Vorgabe die Pandemie eindämmen lässt.

Stellen Sie sich das vor. Überall würde Friede zum Thema gemacht … Der, der das macht, tut  der wirklich  nichts? Der tut nichts. Der will nur spielen, pardon Frieden ansagen.

 

Dein König kommt. Und ein Kind wird geboren. Und die Hirten hören: Friede auf Erden. Und die Weisen fragen: Wo ist der neugeborene König? Und der Herrscher Herodes greift zu Gewalt – umsonst.

 

Ein Mann verabschiedet sich von seinen Freunden: Meinen Frieden gebe ich euch, meinen Frieden lasse ich euch. Habt keine Angst. Seine Freunde lassen ihn kurz darauf im Stich.

Der Mann wird zum Tode verurteilt und stirbt armselig. Und die Tonangeber wiegen sich in Sicherheit. Diesen Mann führt Gott neu ins Leben. Und er erscheint bei seinen Jüngern. Friede sei mit euch, sagt er denen, die ihn verlassen haben. Und von damals an bis heute lesen und hören Christenmenschen: Christus ist unser Friede.

Dein König kommt. Klein und unauffällig. Der tut nichts, außer dass er Frieden ansagt und ihn einläutet. Frieden, den Gott umsetzt.

Work in Progress. Wie sehr die Welt sich auch sträuben mag. Und wir? ... legen unsere Hände in den Schoß und warten ab? Mitnichten.

 

Tochter Zion, freue dich. Tochter Jerusalem, jauchze, lautet der Auftrag. Drück deinen Triumph aus. Jetzt schon. Auch wenn du nichts siehst. Sag: »Yes. Der Friede kommt. Das wird. Ich weiß nicht, wie. Doch es wird.« Erzähl es weiter. Bring es ins Gespräch. »Ich freu mich drauf. Und schaff mein Sach bis dahin vergnügt.« Bring den Frieden ins Gespräch.

 

Wechsle die Tonart: Zuversicht statt Sorge. Freude statt Stress.
Wechsle das Thema: Friede statt Corona. Oder: erst Friede. Dann Corona.
Wechsle die Perspektive: Achte auf die Füllung.  Und den Geschmack. Bei allem, was dir begegnet. Denn Friede schmeckt süß. Allen. Bis an die Enden der Welt.

 

Amen.

"Sei gegrüßet, König mild!" (EG 13,3)

Wir beten:

Du unser Gott, König der Ehre, mächtig im Streit, Jubeln scheint Frauensache und Krieg zu führen eine Männerdomäne.

Du erklärst Waffen für dämlich und Freude findest du herrlich.

Dass Geschlechterrollen aufbrechen und ohne Unterschied Frieden zu der einen Parole wird - weltweit -, darauf hoffen wir und darum bitten wir:

 

Herr erhöre uns.

 

Christus, König der Ehre, gerecht und hilfserfahren, lieg auch uns mit deinem Frieden im Ohr.

Rachegedanken sollen ihr Recht verlieren. Und Hilfe trete auf in Form von Solidarität. Und Zufriedenheit kehre ein.

Darauf setzen wir und darum bitten wir:

 

Herr erhöre uns.

 

Heiliger Geist, König der Ehre, starker Türöffner, tue unsere Lippen auf, dass sie dein Lob verkündigen und wir vergnügt in die Woche gehen dein Lied auf den Lippen, das Lied der Freude und des Friedens.

Dass wir es singen gegen so manchen Augenschein, für Kranke und Sterbende, gegen so manche Müdigkeit für Zweifelnde und Hadernde, dafür brauchen wir dich und darum bitten wir:

 

Herr erhöre uns.

 

Gemeinsam beten wir voller Vorfreude:

 

Vater unser im Himmel!

Geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe,

wie im Himmel, so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich

und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

 

Amen.

Geht hin ...

Auferstehungskreuz Neusatz

... geht trotz aller Unsicherheit zuversichtlich in die kommenden Tage:

 

Der Herr segne dich und behüte dich.

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.

Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.

Amen

 

 

Prädikant Gustav Bott