"Adventskalender im Frühsommer" - Gottesdienst am 9.8.2020

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Im Namen des dreieinigen Gottes: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen

Der dreieinige Gott (Kirche Dobel)

Aus der Zeit gefallen, wie ein Adventskalender im Frühsommer - so kommt mir der Prophet Jeremia gelegentlich vor. Und doch nehmen seine Worte in der Bibel wie überhaupt in unserer christlichen Tradition breiten Raum ein. Ist Jeremia aus der Zeit gefallen? Aus welcher Zeit? Mehr zum Adventskalender im Frühsommer und zu Jeremia in der Predigt ...

 

Nach 22 Andachten oder Gottesdiensten im Netz lege ich erst einmal eine Pause ein, auf jeden Fall in der Zeit meines Urlaubs vom 10. bis zum 30. August. Wie es danach weitergeht, wenn die Konfirmation in Dobel ansteht, wenn an einem Samstag im Monat wieder Konfi-Tage stattfinden, das kann ich noch nicht absehen.

 

Besteht - weiter - Bedarf an diesem digitalen Angebot? Oder kommen alle, die wollen, wieder in die Kirche zum Gottesdienst? Vielleicht hilft ja die Ferienzeit ohne Andacht im Netz, diese Frage zu beantworten. Das Ergebnis können Sie, könnt Ihr uns hier mitteilen.

 

So verabschiede ich mich in den Urlaub und wünsche allen einen schönen Sommer!

"Aus Gottes guten Händen" (Evangelisches Gesangbuch 646,1)

Wir beten:

Barmherziger Gott, wir leben aus deiner Kraft und der Fülle deiner Gaben.

 

Wir bitten um deine Gnade, dass sie uns umgebe auf allen unseren Wegen.

 

Mache uns Mut, dass wir mit dir rechnen. Gib uns Anteil an der Fülle deiner Gerechtigkeit, dass wir das Leben gewinnen durch Jesus Christus.

 

In ihm ist uns dein Erbarmen erschienen, das du schenkst in Zeit und Ewigkeit.

   

Amen

"... fließt Liebe und fließt Mut" (EG 646,2+3)

Adventskalender im Frühsommer - aus der Zeit gefallen

Der Predigttext für diesen Sonntag steht beim Propheten Jeremia im 1. Kapitel:

 

4 Und des HERRN Wort geschah zu mir: 5 Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleibe bereitete, und sonderte dich aus, ehe du von der Mutter geboren wurdest, und bestellte dich zum Propheten für die Völker.
6 Ich aber sprach: Ach, Herr HERR, ich tauge nicht zu predigen; denn ich bin zu jung.
7 Der HERR sprach aber zu mir: Sage nicht: "Ich bin zu jung", sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen alles, was ich dir gebiete. 8 Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich bin bei dir und will dich erretten, spricht der HERR.
9 Und der HERR streckte seine Hand aus und rührte meinen Mund an und sprach zu mir: Siehe, ich lege meine Worte in deinen Mund. 10 Siehe, ich setze dich heute über Völker und Königreiche, dass du ausreißen und einreißen, zerstören und verderben sollst und bauen und pflanzen.

 

Adventskalender im Frühsommer … Vor vielen Jahren habe ich im Frühsommer eine Schokoladenfabrik besichtigt. Da produzierten sie gerade die Adventskalender für den kommenden Winter. Auf einer Palette lagen – noch ungefaltet – die Pappen mit den Weihnachtsaufdrucken und den Türchen. Ein Exemplar davon habe ich mitgenommen und neben der Zimmertür im Studentenwohnheim aufgehängt. Ein Adventskalender im Frühsommer – das fand ich herrlich skurril, so richtig aus der Zeit gefallen. Ein paar Monate später war Adventszeit, und der Adventskalender passte genau in die Zeit. Das änderte sich dann wieder, und irgendwann bin ich aus dem Wohnheim ausgezogen …

 

Aus der Zeit gefallen. Nicht immer ist das so harmlos skurril wie beim Adventskalender im Frühsommer. Auch Menschen können "aus der Zeit gefallen" erscheinen, wir können uns "aus der Zeit gefallen" vorkommen, wie ein Adventskalender im Frühsommer. Und nicht immer kommt die Zeit wieder, in die der Mensch passt. Der Prophet Jeremia war wohl so ein Mensch.

Mir ist oft unbehaglich, wenn über den Propheten Jeremia zu predigen ist (vielleicht erinnern Sie sich). Der Prophet ist mir zu harsch und bestimmt. Er sagt häufig "immer" und "nie" oder "alle" und "niemand". Immer wieder stößt er die Leute vor den Kopf. Jetzt habe ich den Eindruck: Er ist wohl aus der Zeit gefallen.

 

Im Predigttext berichtet der Prophet selbst über seine Berufung:

 

Und des HERRN Wort geschah zu mir: Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleibe bereitete, … und bestellte dich zum Propheten für die Völker.

 

Für das Verständnis ist wichtig zu wissen, wann diese Berufung stattfand, in welcher Zeit und wie lange Jeremia Gottes Wort verkündigt hat. Diese Angaben stehen in der Einleitung des Jeremia-Buchs kurz vor dem Predigttext. Dort heißt es:

 

Zu (Jeremia) geschah das Wort des HERRN zur Zeit Josias, … des Königs von Juda, … bis Jerusalem weggeführt wurde …

 

Vom König Josia bis zur Verschleppung nach Babylon – das waren ungefähr vierzig Jahre. Josia spielt eine wichtige Rolle in der Bibel: In seiner Regierungszeit wurde – so berichtet das 2. Königebuch – die Rolle mit den Geboten Gottes im Tempel gefunden. Josia las die Gebote und stellte erschrocken fest:

 

… groß ist der Grimm des HERRN, der über uns entbrannt ist, weil unsere Väter nicht gehorcht haben den Worten dieses Buches und nicht alles taten, was darin geschrieben ist.

 

Die Väter – mit ihren Familien – hatten wohl an vielen Orten unterschiedlichen Göttern geopfert. Das stellte Josia mit der sogenannten „Kultreform“ ab. Von nun an sollten alle nur noch am zentralen Heiligtum dem einen Gott opfern, getreu dem Gebot:

 

Ich bin der HERR, dein Gott … Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.

 

Michelangelo Buonarroti: Jeremia (Sixtinische Kapelle)

In dieser Zeit erfuhr Jeremia seine Berufung, in dieser Zeit legte Gott seine Worte in den Mund des Propheten, in dieser Zeit fing er an zu predigen. Ein junger Prophet, von dem einen Gott berufen, zu dem auch der König sich bekehrte. Ein junger Prophet, der das Wort dieses einen Gottes verkündigt. Das war seine Zeit, in diese Zeit passte er. Jeremia war Teil der Kampagne des Königs, seine Predigten unterstützten dessen Bemühungen. Der alte Bund mit dem einen Gott sollte wieder hergestellt werden, die alten Gebote dieses Gottes aus der Zeit der Wüstenwanderung des Volkes Israel wieder gelten. Wir kennen diese Gebote aus dem Alten Testament.

 

Doch irgendwann starb dieser König, sein Sohn und später dessen Sohn übernahmen die Herrschaft. Und die teilten den religiösen Eifer des alten Josia nicht. Vielleicht waren sie nicht stark genug, das Monopol des einen Tempels in Jerusalem durchzusetzen. Die Clans an den anderen Orten der Anbetung wollten sicher nicht freiwillig auf die Einnahmen aus den Opfern verzichten. Vielleicht mochten sie die Anhänger der anderen Götter auch nicht zur Anbetung des einen Gottes zwingen. Soll doch jeder nach seiner Fasson selig werden, dachten und verkündeten sie dann, Vielfalt ist Bereicherung. Und wenn man – die politische Lage war unsicher – Bündnisse mit fremden Reichen abschließen will, muss man auch deren Götter anerkennen. Da stört die Anbetung des einen Gottes nur.

 

Die Zeiten änderten sich. Und Jeremia stand immer noch da mit seinem Auftrag als Prophet. Sicher war er eine knorrige Erscheinung. Inzwischen war er nicht mehr jung. Doch weiterhin predigte er das Wort des einen Gottes, rief dazu auf, die Gebote allein dieses Gottes einzuhalten. Damit stellte er sich gegen die Könige. Die waren zunehmend genervt von diesem Überbleibsel einer vergangenen Zeit. Bekannt wie er war, aus einer geachteten Familie stammend, erschwerte Jeremia ihre Politik der Vielfalt und ihre Bündnisse.

 

Jeremia war aus der Zeit gefallen. Entsprechend schwer hatte er es. Sei doch etwas flexibler, werden Leute ihm geraten haben, so überzeugst du niemanden. Gut, dass du unverrückbar zu unserem Gott stehst, dass du zu deinem Auftrag stehst, so werden andere den Jeremia unterstützt haben.

 

Wo hätte ich gestanden? Wo möchte ich stehen? Als Jünger Jesu, als Gemeinde Jesu Christi haben wir alle einen Auftrag, den Auftrag des Auferstandenen:

 

Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur. (Mk 16,15)

 

Aber die Art, wie wir das tun, muss der Zeit entsprechen, muss Menschen überzeugen wollen, die nicht schon unserer Meinung sind. Der Zeit entsprechen heißt nicht einfach, dem Zeitgeist zu folgen. Manchmal kann es nötig sein, mit dem Evangelium gegen den Zeitgeist zu stehen. Aber auch das ist eine Art, der Zeit zu entsprechen. Mag auch das Evangelium feststehen – die Art, wie wir es verkündigen, muss sich an der Zeit und ihren Herausforderungen orientieren.

 

Jeremia, so scheint mir, hat an dem Auftrag seiner Jugend festgehalten. Seine Predigt hat später nicht mehr der Zeit entsprochen und ist deshalb „aus der Zeit gefallen“.

 

Aber das war nicht das letzte Wort. Diejenigen, die den Propheten immer unterstützt haben, schrieben seine Worte auf und sammelten seine Schriften. Sie stellten all das zusammen und gaben es weiter. Und so wurde Jeremia, der knorrige alte Mann, der aus der Zeit gefallen war, nicht vergessen. Spätere Generationen lasen seine Schriften und stellten fest: Er hat Recht gehabt! Mit der Zeit bekamen die Worte des Jeremia so große Bedeutung, dass sie ein Teil der Bibel wurden. Bis heute lesen wir sie, bis heute predigen wir darüber. Wer ist nun aus der Zeit gefallen?

 

So kann es gehen.

 

Amen

"... und macht zum Dienst bereit" (EG 646,4)

Wir beten:

Gott, durch den alles ist, was ist, der tiefer schaut, als ich denken kann:

Was ist vor dir Gewinn, was Verlust?

Was ich verliere, macht es mich ärmer?

Was ich habe, gibt es mir Halt?

Hilf uns, in all unserem Tun dich wirken zu lassen.

Segne, was uns gelingt und vergib, wo wir Schaden anrichten. Lass uns vor dir bestehen. Wir rufen:

 

Herr, erbarme dich.

 

Allen, die unsere Welt verantwortlich gestalten, bringe Einsicht in ihre Möglichkeiten und Grenzen.

Die Reiche kommen und fallen, im Schatten der Veränderungen drohen Elend und Krieg.

Schütze die, die hilflos sind, erbarme dich aller, die sich nach Frieden sehnen. Wir rufen:

 

Herr, erbarme dich.

 

Über alle, denen ihr Leben mit seinen Aufgaben leer erscheint, über alle, die keine Hoffnung haben, über alle, die verloren haben, was sie trägt, erbarme dich.

Allen, die nichts haben, deren Elend uns anklagt, gehe voran in deine neue Welt. Wir rufen:

 

Herr, erbarme dich.

 

Wir bitten dich, geleite uns durch Leben und Sterben im Vertrauen darauf, dass Du uns am Ende allen den Sinn zusprichst, nach dem wir jetzt so oft vergeblich suchen, du, Gott, durch den alles ist, was ist.

 

... wir beten weiter, wie Jesus uns gelehrt hat:

 

Vater unser im Himmel!

Geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe,

wie im Himmel, so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich

und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

 

Amen.

"... die Hoffnung für die Welt" (EG 646,5)

Geht hin ...

Auferstehungskreuz Neusatz

... geht trotz aller Unsicherheit zuversichtlich in die kommenden Tage:

 

Der Herr segne dich und behüte dich.

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.

Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.

Amen

 

Auf ein Segenslied mit Bildern (hier) hat die Familie Scheeder mich hingewiesen.

 

 

Pfr. Matthias Ahrens